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    Tagebuch einer Nymphomanin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Tagebuch einer Nymphomanin
    Von Lars-Christian Daniels

    „Tagebuch einer Nymphomanin" – das klingt nach einem Hardcore-Sexfilm, den man nur im Erwachsenenbereich der Videothek seines Vertrauens findet. Doch der Titel täuscht: Die Adaption von Valérie Tassos autobiografischem Bestseller liefert zwar erwartungsgemäß freizügige Bilder seiner sexsüchtigen Protagonistin, hat erzählerisch aber mehr zu bieten als der gemeine Durchschnittsporno. Dennoch krankt auch dieses spanische Romantik-Sex-Drama an unübersehbaren dramaturgischen Schwächen: Trotz der gut aufgelegten Hauptdarstellerin Belén Fabra („Imperium") und einiger interessanter Ansätze im ersten Filmdrittel bleibt „Tagebuch einer Nymphomanin" letztlich Stückwerk, da Regisseur Christian Molina allzu große Zugeständnisse ans Softcore-Publikum macht und am Ende auch noch ein wahres Kitschfeuerwerk abfackelt.

    Schon mit fünfzehn Jahren entdeckt Valérie Tasso (Belén Fabra), dass ihr Faible für Sex stärker ausgeprägt ist als bei ihren Mitmenschen. Regelmäßiger Geschlechtsverkehr, ob mit dem gleichen oder mit wechselnden Partnern, ist ihr viel zu wenig. Ständig sucht die gierige Nymphomanin nach neuen Kicks und teilt ihr Bett irgendwann mit so vielen Männern, dass sie das Zählen aufgibt. Ihre zugeknöpfte Freundin Sonia (Llum Barrera), die noch immer vergeblich nach dem richtigen Mann fürs Leben sucht und von One-Night-Stands überhaupt nichts hält, bringt ihr wenig Verständnis entgegen. Doch nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter Abuela Val (Geraldine Chaplin) merkt Valérie, dass sie sich tief in ihrem Inneren eigentlich nach etwas ganz anderem sehnt: nach wahrer Liebe, losgelöst von jeglichem körperlichen Verlangen...

    Drehbuchautorin Cuca Canals, die sich in Spanien vor allem durch ihre Arbeiten mit Bigas Luna wie „Jamon Jamon" einen Namen gemacht hat und zuletzt das Drehbuch zu Christian Molinas Jugenddrama „I Want To Be a Soldier" schrieb, gliedert ihre Tagebuchadaption in drei etwa gleich lange Teile. Der erste Abschnitt, in dem der Zuschauer so viele Bettszenen zu sehen bekommt, dass es einem barbusigen Overkill gleichkommt, ist noch am ehesten biografischer Natur: Canals geht chronologisch vor und tastet sich Stück für Stück an das spezielle Wesen ihrer Protagonistin heran. Prägend ist für Valérie vor allem der Tod ihrer wichtigsten Bezugsperson, ihrer Oma, die wie eine Ersatzmutter für sie war. Mit dem Wegbrechen der einzigen verlässlichen Stütze in ihrem umtriebigen Leben verliert aber nicht nur die Nymphomanin die Orientierung, auch die Filmemacher kommen aus dem Rhythmus: Molinas Biografie-Porno entwickelt sich binnen Minuten zum romantischen Beziehungsdrama – ein viel zu harter Umbruch, der die Geschichte völlig aus dem Gleis wirft.

    Denn im zweiten Teil steht Valéries Affäre mit dem erfolgreichen Geschäftsmann Jaime (Leonardo Sbaraglia) im Mittelpunkt. Der führt seine Angebetete zwar in die exklusivsten Restaurants der Stadt aus und macht ihr teure Geschenke, im Bett aber kommt er schon nach zwei Minuten zum Höhepunkt und lässt Valérie monatelang unbefriedigt einschlafen. Doch die sexuelle Frustration, die sich früher bereits nach wenigen Stunden der Enthaltsamkeit einstellte, spielt plötzlich überhaupt keine Rolle mehr: Valérie ist schließlich zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich verliebt und das ist wichtiger als ein erfülltes Sexleben. Mit dieser ebenso banalen wie kitschigen Erkenntnis geht jegliche Glaubwürdigkeit verloren, denn nach dem Ende der Liaison mit Jaime sucht Valérie nicht etwa weiter nach der großen Liebe, nein – sie findet sich plötzlich in einem Edelbordell wieder.

    Nun ist es nämlich offenbar doch wieder die fleischliche Lust, die Valérie den inneren Seelenfrieden garantiert. Männer sind entweder Schweine, eifersüchtig, gewalttätig oder langweilig. Dazwischen scheint es nichts zu geben – zumindest nicht in der Welt, die Christian Molina hier zeichnet. Da passt es ins Muster, dass auch die Nebenfiguren in seinem Erotikdrama nur oberflächlich skizziert werden und ganz den Rollenklischees entsprechen, die in einem typischen romantischen Dramas eben vorkommen. Exemplarisch zeigt sich dies in Gestalt der biederen Sonia, der besten Freundin aus dem Bilderbuch: Ein wenig zu dick, ein wenig zu hässlich und ein wenig zu schüchtern, um bei den Männern erfolgreich zu sein, steckt das Mauerblümchen verstohlen einen Dildo in die Handtasche, wenn Valérie gerade nicht hinsieht. Dreimal darf geraten werden, ob die gute Seele an der Seite der rassigen Schönheit beim vor Kitsch nur so triefenden Finale doch noch mit einem attraktiven Mann belohnt wird.

    Fazit: Christian Molinas Film scheitert vor allem an einem zu abrupten Wechsel der erzählerischen Linie. Die dramatischen Momente stehen in keinem Bezug zu den Sex-Szenen des Beginns, die „Tagebuch einer Nymphomanin" zumindest zu einem akzeptablen Erotikfilm machen.

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