Mein Konto
    Da scheiden sich die Geister
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Da scheiden sich die Geister

    Ein Klassiker im neuen (fabelhaft aussehenden) Gewand

    Von Lutz Granert

    Im Jahr 1941 schrieb der britische Schauspieler und Schriftsteller Noël Coward die übernatürlich angehauchte Salonkomödie „Blithe Spirit“, die sich zunächst am Londoner West End und wenig später dann auch am New Yorker Broadway zum unerwarteten Publikumserfolg entwickelte. Eine Verfilmung ließ auch nicht lange auf sich warten: Bereits 1945 erschien die mit Margaret Rutherford (= die Miss Marple schlechthin) besetzte „Geister“-Komödie unter der Regie von Meisterregisseur David Lean („Lawrence von Arabien“) in den Kinos – und wurde für seine zahlreichen Belichtungstricks und Überblendungen sogar mit dem Oscar für die besten visuellen Effekte ausgezeichnet.

    Im Laufe der Jahrzehnte wurde der ebenso klassische wie beliebte Stoff immer wieder fürs (britische) Fernsehen adaptiert. Die jüngste Adaption „Da scheiden sich die Geister“ kommt nun aber wieder in die Kinos. Die hochkarätig besetzte britische Komödie erweist sich dabei gerade mit seinen liebevoll gestalteten Kostümen im Art-déco-Stil als erfrischend altmodisch. Zugleich fehlt es jedoch an der nötigen Bissigkeit in den um Pointen bemühten Wortgefechten, weshalb die Verfilmung von Serien-Spezialist Edward Hall („Spooks - Im Visier des MI5“) letztendlich einfach ein gutes Stück zu harmlos wirkt.

    Judi Dench gibt ganz uneitel einfach alles - eine wunderbar schräge Performance.

    London, 1939: Seit fünf Jahren ist der erfolgreiche Schriftsteller Charles Condomine (Dan Stevens) bereits mit seiner zweiten Ehefrau Ruth (Isla Fisher) verheiratet. Gemeinsam leben sie im Wohlstand. Als ihm Ruths Vater ein Auftrag für das Drehbuch eines Kinofilms verschafft und die Abgabe näher rückt, quält sich der Autor plötzlich mit einer hartnäckigen Schreibblockade. Abhilfe und Inspiration erhofft sich Charles von Madame Arcati (verdammt schräg: Judi Dench), die er zu einer Séance auf sein Anwesen einlädt. Diese bleibt allerdings nicht ohne Folgen: Am nächsten Morgen erscheint Charles der Geist seiner vor sieben Jahren verstorbenen Ex-Frau Elvira (Leslie Mann), den nur er sehen kann. Und Elvira schreckt in ihrer Eifersucht auch vor drastischen Mitteln nicht zurück, um Charles wieder ganz für sich zu gewinnen...

    „Da scheiden sich die Geister“ punktet vor allem mit seiner fantastischen Ausstattung, die die späten 1930er Jahre glanzvoll auferstehen lässt. Neben der sorgsamen Dekoration der Innenräume (antike Möbel und einfarbig gestrichene Wände in Charles' riesiger Bauhaus-Residenz) setzen vor allem die Art-déco-Outfits in kräftigen Farben, die gerade bei Geisterfrau Elvira voll zur Geltung kommen, optische Highlights. Die wallende rote Bluse oder ein eng geschnittener Hosenanzug mit Detailverliebtheit bis in die letzte Spitze des floralen Rosenmusters sind echte Hingucker. Kostümdesignerin Charlotte Walter, die bereits die Superhelden in der TV-Serie „Watchmen“ einkleidete, hat einmal mehr hervorragende Arbeit geleistet.

    Grand Dame im Orchestergraben

    Haarnetz und Pfauenfeder geraten bei der großartigen Judi Dench („Skyfall“) in ihrer Rolle als Madame Arcati gar zum schauspielerischen Accessoire – unterstreichen sie doch die Spleenigkeit ihrer selbstironisch angelegten Figur. So gerät ein Theaterauftritt von Madame Arcati anfangs wegen einer defekten Seilwinde zum Desaster – und die schwebende Magierin stürzt vor dem Publikum in den Orchestergraben. Die Grande Dame des britischen Kinos beweist dabei Mut zum Boulevard-Kitsch – und gibt sich auch der Scharlatanerie der planlos wirkenden Beschwörungsrituale ihrer Figur mit unmotiviertem Tischwackeln süffisant hin.

    Auch Leslie Mann („Motherless Brooklyn“) hinterlässt als intrigant-zynische Ex aus dem Jenseits, die auch nicht vor Messerattacken oder der Manipulation von Autobremsen zurückschreckt, um ihren Liebsten zurückzugewinnen, eine überzeugend-biestigen Eindruck. Während das große Potenzial für morbiden, schwarzen Humor erst in der Schlussviertelstunde mit einer sich lange andeutenden Wendung wirklich ausgeschöpft wird, verläuft die Grenze zwischen pointierten Wortgefechten und plumpen Kalauern fließend. Einmal ist etwa davon die Rede, dass die Charles sein Drehbuch diktierende Elvira als „Ghostwriterin“ für ihn tätig sei.

    Der gebeutelte Charles will seine (un-)tote Ex zwar wieder loswerden - freut sich aber trotzdem, dass sie ihm bei seinem Skript hilft...

    Auch die Performance von Dan Stevens („Ich bin dein Mensch“), der Nervenbündel Charles im Lauf des Films immer mehr als Karikatur anlegt, ist nicht immer stilsicher auf dem schmalen Grat zwischen Wahnsinn und der Wahrung von Etikette. Wenn er etwa bei einer Trauerfeier mit einem Krocketschläger wild auf die für die anderen Gäste unsichtbare Elvira einschlägt, bietet das zwar einiges an Situationskomik – aber vom legendär-trockenen britischen Humor gibt es diesmal deutlich weniger als in früheren Verfilmungen / Aufführungen des Stoffes.

    Fazit: Bei dieser nicht immer geistreichen Adaption von Noël Cowards Theaterstück dominiert das Aussehen über den Inhalt. Die Komödie „Da scheiden sich die Geister“ punktet mit farbenfroher Ausstattung, ist aber nicht immer stilsicher in seiner unausgegorenen Mischung aus trockenem Humor und plattem Klamauk.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top