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    Bob Marley: One Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bob Marley: One Love

    Peace, Love & Understanding

    Von Oliver Kube

    Nachdem es in „King Richard“ noch um einen Mann ging, der seine Töchter Venus und Serena entgegen aller Widerstände zu den wohl besten Tennisspielerinnen aller Zeiten formte, porträtiert Reinaldo Marcus Green nun erneut einen Mann mit einer unerschütterlichen Mission – die der Liebe und des Friedens. Wer sich von „Bob Marley: One Love“ das nächste partytaugliche Superstar-Biopic à la „Bohemian Rhapsody“ oder „Rocketman“ erhofft, könnte enttäuscht werden. Geht man allerdings mit der Erwartung eines deutlich intimeren, nachdenklicher gestalteten Porträts über den erfolgreichsten Reggae-Musiker aller Zeiten an den Kinobesuch heran, dann bekommt man doch einiges geboten – inklusive erstaunlich langer Ausschnitte aus seinen berühmtesten Songs, samt einer minutenlangen Jam-Session, bei der man sich einfach in diese Musik verlieben muss.

    Während im Jamaika der Siebzigerjahre bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, plant Bob Marley (Kingsley Ben-Adir) ein riesiges Gratis-Open-Air. Bei diesem Konzert will der Superstar die Anführer der gewaltvoll um die Macht ringenden Parteien zusammen auf die Bühne bringen. Wenige Tage vor dem großen Termin herrscht geschäftiges Treiben im Haus, in dem Marley mit seiner Frau Rita (Lashana Lynch) und seinen zahlreichen Kindern lebt. Nach Anbruch der Dunkelheit dringen plötzlich bewaffnete Männer ein und eröffnen das Feuer. Trotz teilweise schwerer Verletzungen gibt es wie durch ein Wunder keine Toten. Dennoch ist danach nichts mehr wie zuvor – nichts außer Marley selbst, der stoisch weiter seine Mission verfolgt. Zwar zieht er übergangsweise nach London, wo er mit „Exodus“ sein mit Abstand bestes und ausdrucksstärkstes Werk produziert. Die Situation in seiner Heimat lässt ihn dennoch nicht zur Ruhe kommen…

    Paramount Pictures Germany
    Auf der Bühne fühlt sich Bob Marley (Kingsley Ben-Adir) trotz der Drohungen immer noch am besten.

    Der Brite Kingsley Ben-Adir („Barbie“) ist exzellent als der noch heute von Millionen Fans überall auf dem Globus leidenschaftlich verehrte Star. Im englischsprachigen Original wirkt sein jamaikanischer Dialekt erstaunlich authentisch – und auch Ben-Adirs Gesangseinlagen überzeugen, selbst wenn es sich bei den meisten Songs dann doch um Originalaufnahmen handelt. Im Abspann sind – für Biopics ja mittlerweile obligatorisch – einige Filmbilder des echten Marley zu sehen. Diese zeigen, wie nah der Darsteller ihm bei Gestik und Mimik kommt, ohne dabei das Vorbild plump zu kopieren. Das hätte auch seltsam wirken können, da Ben-Adir knapp 20 Zentimeter größer ist als das Original. Clevererweise nimmt er sich deshalb in Bezug auf Marleys in der Realität um einiges lebhafteren Bewegungsstil auch etwas zurück.

    Das ist übrigens nicht die einzige Gelegenheit, bei dem sich das von Marleys Familie mitproduzierte Projekt in Understatement übt. So waren an dem Attentat in Wirklichkeit sieben Schützen beteiligt und nicht nur die beiden, die im Film gezeigt werden. Auch die diversen Frauengeschichten des Künstlers, der zahlreiche außereheliche Kinder (offiziell sind es sechs, inoffiziell noch deutlich mehr) hatte, sowie sein exzessiver Marihuana-Konsum werden lediglich subtil angedeutet. Mit einer Ausnahme, als er ausrastet, weil ihn ein Kumpel offenbar übers Ohr gehauen hat, wird Marley jenseits der Bühne als grüblerisch, besonnen und introvertiert dargestellt.

    Ein nicht enden wollender Kampf für das Gute

    Auch die Flashbacks in seine schwierige Kindheit als Sohn einer alleinerziehenden Mutter und eines ihn nie anerkennenden englischen Offiziers sind sehr melancholisch. Klar, der Film endet ja naturgemäß auch nicht gerade fröhlich. Aber bei all der Positivität und Freude, die seine Musik noch immer vermittelt, ist es besonders traurig, dass der Mann – das deutet zumindest der Film an – nur wenig Spaß in und an seinem viel zu kurzen Leben gehabt zu haben scheint.

    Dieser Aspekt muss Regisseur Green und seinen drei Drehbuch-Co-Autoren selbst aufgefallen sein, weshalb sie mit ein paar kurzen, erfrischend witzigen Einschüben gegenzusteuern versuchen. So etwa, wenn Marley und seine Truppe mit grellbunten Trainingsanzügen und fliegenden Dreadlocks durch die Straßen eines besonders konservativen Teils der britischen Hauptstadt joggen. Oder wenn sie an einem ihrer ersten Tage in London in einem Musikclub abhängen und sich mit befremdeten Gesichtern ein Punk-Konzert ansehen. Als sie den Laden verlassen, brennen draußen Autos und Cops machen Jagd auf junge Leute. „Das ist hier ja genau wie in Kingston“, merkt einer von Marleys Musikern halb im Scherz, halb im Ernst an.

    Paramount Pictures Germany
    Durch die Anschläge gezwungen, erst einmal nach London zu ziehen, kann Bob Marley seine Kinder längere Zeit nicht sehen.

    Dankenswerterweise ersparen uns die Macher des Films eine filmische Darstellung der letzten Tage Marleys, als dieser aufgrund seiner Krebserkrankung nur noch ein körperliches Wrack und ein rapide verblassender Schatten seiner Selbst war. Wer mehr über diese Zeit wissen will, sollte Kevin Macdonalds sehr gute Dokumentation „Marley“ anschauen. Aber in den Szenen zuvor haben wir bereits gelernt, dass der Sänger dennoch bis zu seinem Ende nicht damit aufgehört hat, für Frieden und Verständigung in seiner Heimat sowie im Rest der Welt zu kämpfen. Seine Message war simpel, aber gerade deshalb wohl so zeitlos und universell verständlich, dass sie bis heute nichts an Relevanz eingebüßt hat.

    Anstelle von Sterbeszenen erleben wir Marley beim Einbiegen auf die Zielgerade der Story noch einmal daheim in Jamaika. Dort sitzt er 1980 im Garten seines Hauses und singt den gerade von ihm geschriebenen Geniestreich „Redemption Song“ für ein paar seiner Kinder. Es ist einer der ganz wenigen Momente, in denen die Filmfigur Bob Marley glücklich und relaxt, anstelle von getrieben oder angespannt wirkt.

    Fazit: „Bob Marley: One Love“ ist längst nicht so turbulent und spaßig, wie es andere Biopics großer Musikhelden über weite Strecken sind. Lohnenswert ist das Ganze aber allemal – nicht zuletzt dank der stimmig in die Handlung eingebauten Songs sowie der authentisch emotionalen Performance von Kingsley Ben-Adir.

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