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    Godzilla Minus One
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Godzilla Minus One

    Zum 70. Geburtstag der Riesenechse wird wieder ordentlich was kaputtgemacht!

    Von Lutz Granert

    Das Schema ist denkbar einfach: Eine haushohe prähistorische Echse erhebt sich aus dem Meer, in dem es lange Zeit geschlummert hat, und legt sich entweder mit dem (zunächst) hilflosen Militär oder anderen gigantischen Urzeitviechern an. Das Ergebnis: Eine so epische wie brachiale Zerstörungsorgie, bei der regelmäßig ganze Städte plattgewalzt werden. Trotzdem – oder gerade deshalb – hat es die „Godzilla“-Reihe, die dieses Jahr ihr 70-jähriges Jubiläum feiert, noch vor James Bond als das am längsten kontinuierlich fortgesetzte Film-Franchise der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft! Für die japanischen Toho-Studios, die zwischen 1954 und 2023 stolze 33 Kinofilme rund um das Riesenreptil federführend produzierten, ist das ein Grund zum Feiern – und es nach mehreren Godzilla-Animationsfilmen mal wieder real richtig krachen zu lassen.

    Unter der Regie von Takashi Yamazaki, der in seiner japanischen Heimat schon zahlreiche Blockbuster – wie etwa die animierte Anime-Adaption „Lupin III: The First“ – abgeliefert hat, ist mit „Godzilla: Minus One“ Überraschendes geglückt. Durch seine zeitliche Verortung rund um das Ende des Zweiten Weltkriegs kommen neben den erwarteten Zerstörungsorgien auch zwischenmenschliche Töne und gesellschaftskritische Botschaften nicht zu kurz – womit das Katastrophendrama der langlebigen Reihe auch nach sieben Jahrzehnten tatsächlich noch neue Aspekte hinzufügt.

    Was hochhaushohe Reptilien eben so zum Frühstück verspeisen – zum Beispiel einen ganzen Wagon.

    1945: In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs schwindelt der auf Odo Island stationierte Pilot Koichi Shikishima (Ryunosuke Kamiki) eine Panne an seiner Maschine vor, um keinen sinnlosen Kamikaze-Flug in den Tod mehr starten zu müssen. Als er vom Mechaniker Sosaku Tachibana (Munetaka Aoki) bei seiner Lüge ertappt wird, greift ein riesiges Reptil, dem die Einheimischen den Namen Godzilla verpasst haben, die Insel an. Shikishima überlebt auch wegen seiner erneuten Feigheit den verheerenden Angriff und kehrt nach Tokyo zurück. Dort lernt er die Diebin Noriko Oishi (Minami Hamabe) kennen – und gemeinsam kümmern sie sich um ein fremdes Baby, dessen Eltern im Krieg umkamen.

    Wenige Monate später taucht Godzilla wieder auf und hinterlässt im Tokyoter Stadtviertel Ginza eine Schneise der Verwüstung. Da der Riesenechse scheinbar mit Waffengewalt allein nicht beizukommen ist, entwickelt der Ingenieur Kenji Noda (Hidetaka Yoshioka) einen abenteuerlichen Plan, das Riesenreptil unschädlich zu machen – wobei diesmal der Mut von Shikishima als Pilot eines Jagdflugzeug-Prototypen von entscheidender Bedeutung für das Gelingen des Vorhabens ist...

    Hollywood hat die besseren Effekte, Japan den besseren Film

    Zuletzt stapfte die Riesenechse in zwei Hollywood-Produktionen des sogenannten MonsterVerse ohne Beteiligung der Toha Studios durch die deutschen Kinos: „Godzilla: King Of The Monsters“ und das Crossover „Godzilla vs. Kong“ lieferten zwar mit einem neunstelligen Budget tricktechnisch überzeugende und auch durchaus launige Zerstörungsorgien ab, doch die zahlreichen und leider auch recht austauschbaren Charaktere blieben dabei auf der Strecke. Ihr Überleben? Egal! Zugegeben: Gerade bei den Manövern auf hoher See im Finale kann sich „Godzilla: Minus One“ in Sachen Special-Effects-Finetuning nicht mit den US-Produktionen messen. Dafür wird dem deutlich überschaubareren, aber dafür mit umso mehr Konturen aufwartenden Figurenarsenal in den Gefechtspausen zwischen der üppigen, temporeichen Monster-Action ungleich mehr Raum gegeben.

    Ihre Handlungsmotivationen werden klar herausgestellt. Der innere Konflikt von Shikishima zwischen dem eigene Überlebenswillen und dem (bereits verletzten) Pflichtgefühl ist immer spürbar. In einer (aus westlicher Sichtweise) etwas zu melodramatisch-schwülstig geratenen Dialogszene kommt das deutlich zum Tragen, als er Noriko erklärt, warum er gerade verzweifelt einen lukrativen Job als Entschärfer von Magnetmienen im Meer angenommen hat. Das Schicksal der durch den Zweiten Weltkrieg gezeichneten Figuren lässt nicht kalt – und das Publikum beim bis zum Ende ergebnisoffenen Kampf gegen das Monster umso mehr mitfiebern.

    70 Jahre und kein bisschen leise: Godzilla ist auch im Rentenalter noch immer der Zerstörungsgarant schlechthin!

    Dabei bezieht sich Takashi Yamazaki in seinem Skript immer wieder auf den allerersten „Godzilla“-Film: Darin erfolgte der eröffnende Angriff der Riesenechse schließlich ebenfalls auf der Insel Odo – und die perfide physikalische Waffe von Kenji Noda aus „Godzilla Minus One“ zielt wie damals beim Sauerstoffzerstörer des Originals aus dem Jahr 1954 erneut auf Godzillas Atemwege. Die Darstellung der mangelhaften Ausstattung der Jagdflieger ist unterdessen eine offene Anklage der menschenverachtenden Kriegsführung des Kaisers Hirohito – zudem bemüht sich Yamazaki stets darum, dass so entstandene Leid in den Ruinen Tokyos angemessen hervorzuheben. Das „Godzilla“-Original wird filmhistorisch häufig als eine erste Aufarbeitung des nationalen Traumas nach Abwurf der beiden Atombomben am Ende des Zweiten Weltkriegs auf Hiroshima und Nakasagi gesehen, schließlich soll das Monster durch radioaktive Strahlung mutiert sein.

    Diese Anspielung auf reale Grausamkeiten schimmert in „Godzilla: Minus One“ wiederholt wortwörtlich durch, wenn sich die Urzeitechse neonblau „auflädt“, bevor sie ihren Hitzestrahl speit – übrigens ein echter optischer Leckerbissen! Auf direkte Kritik an den USA wegen der Atombombenabwürfe wird allerdings – womöglich auch mit Blick auf die internationale Vermarktbarkeit – verzichtet. Stattdessen belässt es Yamazaki bei einer kurzen und zusammenhanglosen Szene, welche den Atombomben-Test auf dem Bikini-Atoll im Juli 1946 zeigt, bevor er schnell einige Monate weiter springt.

    Fazit: Auch wenn bei den CGI-Effekten der letzte Schliff fehlt, überzeugt „Godzilla: Minus One“ mit packender Zerstörungs-Action und dem Bemühen um starke Charaktere und gesellschaftliche Relevanz. Die Verortung in den direkten Nachwehen des Zweiten Weltkriegs verpasst dem langlebigen Franchise zudem auch noch eine gewisse erzählerische Frischzellenkur.

     

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