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    Der "Fallout"-Macher verrät: Das kann die Serie besser als die Spiele – darauf ist sogar der Franchise-Chef neidisch
    Markus Trutt
    Markus Trutt
    -Redakteur
    Seit „Silent Hill“ ihm gezeigt hat, dass es doch auch gute Videospieladaptionen geben kann, hält Gamer Markus sehnsüchtig Ausschau nach weiteren.

    „Fallout“ ist ein Hit für Amazon Prime Video und hat jüngst grünes Licht für Staffel 2 bekommen. Im Interview haben wir Regisseur Jonathan Nolan nach möglichen Masterplänen, den Vorzügen einer Adaption und der Verbindung zu „Oppenheimer“ befragt.

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    Seine ersten Lorbeeren in Hollywood hat Jonathan Nolan als Co-Autor von vielen Filmen seines Bruders Christopher Nolan geerntet, darunter solche Blockbuster-Hits wie „The Dark Knight“ und „Interstellar“. Inzwischen kümmert sich Jonathan Nolan um seine ganz eigenen Projekte, und das primär im Serienbereich. Nach dem Erfolg von „Person Of Interest“ und dem vorzeitigen Aus des gefeierten „Westworld“ hat er sich mit „Fallout“ nun direkt dem nächsten großen Sci-Fi-Projekt gewidmet, diesmal jedoch in erster Linie als Regisseur und Produzent. Zum Start von Amazons großartiger Videospieladaption haben wir Nolan zum Interview in Berlin getroffen.

    Der 47-Jährige, der einst selbst zig Stunden im Ödland von „Fallout 3“ verbracht hat, spricht mit uns nicht nur über seinen geliebten Bruder, sondern erklärt uns auch, was die postapokalyptische Welt von „Fallout“ so besonders macht und wie man selbst so einer riesigen Vorlage bei einer Adaption noch etwas hinzufügen kann.

    Verbindung zu "Oppenheimer"

    FILMSTARTS: Die Katastrophe in „Fallout“ wäre nicht möglich ohne einen gewissen J. Robert Oppenheimer, den „Vater der Atombombe“, dem dein Bruder vergangenes Jahr so einen fantastischen Film gewidmet hat. Das passt irgendwie schön zusammen. Habt ihr beide darüber gesprochen und euch vielleicht auch über eure Projekte ausgetauscht?

    Jonathan Nolan: Das tun wir eigentlich immer. Ich wüsste nicht, wie ich etwas angehen sollte, ohne vorher mit Chris darüber zu sprechen. Und ich denke, dasselbe gilt auch für ihn. Ich erinnere mich daran, wie ich einen sehr frühen Drehbuchentwurf zu „Oppenheimer“ gelesen habe und mich sehr gefreut habe, dass er diese Geschichte anpackt. Das hat perfekt gepasst. Und es ist einfach ein seltsamer Fall von Schicksal, dass wir bei diesen zwei Projekten gelandet sind, die thematisch irgendwie verknüpft, tonal aber sehr, sehr verschieden sind. Es fühlt sich manchmal so an, als hätten wir versehentlich „Barbenheimer - Der Film“ gemacht.

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    Sind beide große "Fallout"-Fans: Jonathan Nolan und FILMSTARTS-Redakteur Markus Trutt

    FILMSTARTS: Fühlt man einen besonderen Druck, wenn man eine beliebte Buch-, Comic- oder Videospielvorlage adaptiert? Oder ist es vielleicht sogar ein Vorteil, sich auf etwas stützen zu können, was bereits da ist?

    Jonathan Nolan: Ein bisschen von beidem. Es gibt immer Druck. Diese Sachen sind hart, sie verschlingen Jahre deines Lebens. Man will nie etwas machen, das nicht funktioniert. Ich messe es immer an der Vorstellung, die ich in meinem Kopf hatte, wenn wir die Reise angetreten sind. Das Bewusstsein, dass ein Projekt auf etwas basiert, das viele lieben, verleiht einem etwas Selbstvertrauen. Die Leute haben zumindest schon mal davon gehört, wenn man es veröffentlicht.

    Bei „Fallout“ war nun – ganz ähnlich wie bei der Arbeit am „Batman“-Franchise – so aufregend, dass man diese beliebte Marke mit all den wundervollen Spielsachen hatte, mit denen man spielen konnte. Wenn die Zeit kommt, die Requisiten und Kostüme zu designen, steht man wirklich auf den Schultern von Giganten, von diesen erstaunlichen Künstlern, die das zuvor schon gemacht haben. Und du darfst nicht nur, sondern sollst dich bei all diesen Spielen bedienen und die besten Elemente rauspicken. Man hat also bereits viel, mit dem man loslegen kann.

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    Das Spannende bei „Fallout“ war dann aber, dass sowohl [„Fallout“-Spiele-Chef] Todd [Howard] als auch ich eine neue Geschichte in diesem Universum erzählen wollten. Zum einen weil jedes der Spiele ein neues Setting und neue Figuren hat. Aber auch weil wir es hier mit Open-World-Rollenspielen zu tun haben. Deine Version des Spiels ist darum vielleicht sehr anders als meine Version. Daher ist eine exakte Adaption im Grunde unmöglich. Einige der Spiele haben viele verschiedene Enden und richten sich danach, welcher Fraktion man sich anschließt und welche Entscheidungen man trifft. Mit einer Original-Geschichte konnten wir von all der Schönheit, der Welt und der Mythologie der Spiele profitieren, uns dem Ganzen aber von einer anderen Perspektive nähern.

    Kanon oder Nicht-Kanon, das ist hier die Frage

    FILMSTARTS: Gehört die Serie mit dieser neuen Geschichte denn nun eigentlich zum offiziellen Kanon des Franchises?

    Jonathan Nolan: (lacht) Da musst du Todd fragen. Darüber gab es viele Gespräche. Es war eine so unglaubliche Zusammenarbeit. Ich werde so nervös bei solchen Sachen. Ich habe früher immer gescherzt, dass meine Lieblingspartner tote Autoren sind, weil die nicht diskutieren. Aber bei Todd habe ich diese Meinung überdacht. Er ist so ein angenehmer Kerl, in kreativer Hinsicht so brillant, aber auch so großzügig, wenn es darum geht, [den Showrunnern] Geneva [Robertson-Dworet], Graham [Wagner] und mir den Freiraum zu geben, um die richtige Story für dieses Medium zu finden. In vielen Gesprächen ging es tatsächlich darum, sicherzustellen, dass unsere Geschichte keiner der anderen Geschichten in den Spielen widerspricht und sich gut in den Kanon einfügt.

    Eine Sache, die wir aber nicht bieten können, ist dem Zuschauer dieses Gefühl von völliger Freiheit zu geben. Sie können nicht die Kamera nehmen und sie irgendwo hin schwenken. Sie können nicht eine Figur nehmen und sie zum Bösewicht werden lassen. Was wir in unserem Medium hingegen tun können – und darauf war Todd ein wenig neidisch –, sind Flashbacks. Wir können die Welt vor dem Krieg zeigen, etwas, von dem man in „Fallout 4“ nur flüchtige Eindrücke bekommt oder von dem man Bruchstücke über Aufzeichnungen und Bilder erfährt. Wir aber haben die Möglichkeit, über Walton Goggins' Figur Cooper, wirklich Zeit in dieser Welt zu verbringen. Darüber hinaus hat uns das Medium zudem noch diese Ensemble-Erzählung erlaubt, in der wir drei unterschiedliche Hauptfiguren haben, welche möglicherweise verschiedene Pfade repräsentieren, die man in den Spielen einschlagen könnte.

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    Vieles, was wir in „Fallout“ sehen, wurde tatsächlich am Set gebaut.

    FILMSTARTS: Was hebt die Welt von „Fallout“ von anderen postapokalyptischen Settings und Geschichten ab?

    Jonathan Nolan: Der Ton. Und der ist auch der Grund, warum wir dieses Projekt überhaupt machen wollten. So etwas wie diesen Gonzo-Ton der Spiele habe ich noch nicht erlebt. Gerade in einer Zeit, in der sich die echte Welt nicht sonderlich gut schlägt, ist es eine besondere Erfahrung für uns und vielleicht auch für das Publikum, sich dem Ende der Welt mit diesem speziellen schwarzen Humor zu nähern.

    FILMSTARTS: „Fallout“ sieht einfach gigantisch aus. Und tatsächlich habt ihr erstaunlich viel an echten Drehorten gefilmt und jede Menge praktische Effekte genutzt, etwas, das man schon fast als „die Nolan-Art“ bezeichnen könnte. Was war der Gedanke dahinter und welche Vorteile hat das mit sich gebracht?

    Jonathan Nolan: Ehrlich gesagt weiß ich einfach nicht, wie man es anders macht, auch da ich mit meinem Bruder aufgewachsen bin und das einfach die Art und Weise ist, wie wir Filme machen. Aber es hat auch wirklich viele Vorzüge. Das wurde hier sogar besonders deutlich, da wir ein Videospiel adaptiert haben. Bei Adaptionen fügt man visuell ja in der Regel etwas hinzu. Bei einer Comic-Adaption wie „Batman“ ergänzt man die Bilder zwischen den einzelnen Panels, bei einer Romanverfilmung wie „Prestige“ fügt man in der Hinsicht ja sogar alles hinzu. Bei einem Spiel wie „Fallout“ nimmt man hingegen etwas weg, man entfernt eine Dimension.

    Daher haben wir uns gefragt, was wir stattdessen hinzufügen können. In Sachen Computergrafik würden wir ein Wettrüsten mit Bethesda oder Microsoft nicht gewinnen. Darum war unsere Geheimwaffe die Realität. Die könnten wir mit den Schauspielern, echten Schauplätzen und aufwändigen Sets hier einbringen und so hoffentlich ein greifbares Gefühl für Gefahr erzeugen. Wir haben zwar ein unglaublich talentiertes Team für die visuellen Effekte, aber unser Ziel war es, ihnen so wenig zu tun zu geben wie möglich. Stattdessen haben wir unsere Sachen gepackt und sind zu verrückten Orten überall auf der Welt geflogen.

    FILMSTARTS: Gibt es denn schon einen Masterplan hinsichtlich der Zukunft von „Fallout“? Wie viele Staffeln können wir erwarten?

    Jonathan Nolan: Nein, nicht wirklich. Leider musste ich erfahren, dass man etwas flexibel sein muss, wenn es um die Anzahl der möglichen Staffeln geht. Wir haben uns erst mal wirklich darauf konzentriert, eine tolle erste Staffel abzuliefern. Von Anfang an gab es aber natürlich auch Gespräche zwischen mir, Geneva, Graham und Todd darüber, in welche Richtungen die Serie gehen soll. Ich liebe diese Figuren und ich würde mich sehr freuen, wenn wir ihre Geschichten fortsetzen könnten.

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    FILMSTARTS: Du hast einmal gesagt, dass du das Schreiben hasst, aber es liebst, geschrieben zu haben. War es deshalb hier eine Erleichterung, dass du dich zur Abwechslung mal primär auf das Regieführen konzentrieren konntest? Oder wie sehr warst du in die Entwicklung der Serie entwickelt?

    Jonathan Nolan: Es hat tatsächlich alles mit einem Gespräch zwischen Todd und mir beim Mittagessen angefangen. Aber wir wollten schon sehr lange mit Geneva zusammenarbeiten. Und sie wiederum wollte gerne mal mit Graham arbeiten. Wegen des besonderen Tons der Serie brauchten wir auch ganz besondere Autoren, die sich mit Comedy auskennen. Ich bin kein Comedy-Autor. Die andere große Herausforderung war dann aber die Inszenierung, die Welt der Spiele, die so groß, immersiv und episch, gleichzeitig aber auch so detailliert und persönlich ist, vor der Kamera in einem bestimmten Zeitrahmen und mit einem bestimmten Budget zum Leben zu erwecken. Das war dann mein Job, es war eine wirklich gute Arbeitsteilung.

    Qualitätsoffensive bei Videospieladaptionen

    FILMSTARTS: Als Gamer ist es wirklich toll zu sehen, dass Videospieladaptionen endlich besser und besser zu werden scheinen. Was denkst du, woran das liegt? Was hat sich geändert?

    Jonathan Nolan: Das ist schwer zu sagen. Dasselbe ist ja mit Comic-Filmen passiert. Auch wenn es Comics schon so lange gibt, dass es bereits früher gute Verfilmungen gab, wie etwa Richard Donners grandiosen „Superman“ von 1978, der zudem auch großen Einfluss auf Chris und mich bei den „Batman“-Filmen hatte. Wenn Hollywood auf eine neue Form von Inspiration stößt, hat man dort manchmal Schwierigkeiten, sie wirklich zu verstehen. Es wird dann oft nur eine Art formelle Übung. Es gibt natürlich auch tolle Comic-Filme, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die einzelnen Panels exakt zu rekonstruieren.

    Chris zum Beispiel hat sich dem aber niemals so angenähert. Er hat immer versucht, das Ausgangsmaterial zu respektieren und zu ehren, indem er einen Film daraus gemacht und sich nicht um die formalen Aspekte eines Comics geschert hat. Und dasselbe kann auch auf Videospielverfilmungen angewendet werden. Man muss nicht zwingend ein Gamer sein, um ein Spiel zu adaptieren, auch wenn wir hier am Set viele „Fallout“-Fans hatten. Aber man muss sich einer solchen Vorlage mit Respekt und Liebe nähern. Chris war etwa auch kein Comicbuch-Fan, als er sich Batman gewidmet hat, er hat einfach die Figuren respektiert und geliebt. Ich denke, das ist das Erfolgsrezept.

    FILMSTARTS: Hast du denn eine Lieblings-Videospieladaption, abseits von „Fallout“ natürlich?

    Jonathan Nolan:The Last Of Us“ war fantastisch. Ich bin mit [Showrunner] Craig Mazin befreundet, kenne ihn schon seit Jahren. Es ist ein hervorragendes Spiel und einfach eine wundervolle Serie.

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