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    "Marvel gibt mir nicht so viel": Interview mit Tom Schilling zum Start von "Das fliegende Klassenzimmer"
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Pascal liebt das Kino von „Vertigo“ bis „Daniel, der Zauberer“. Allergisch reagiert er allerdings auf Jump Scares, Popcornraschler und den Irrglauben, „Joker“ wäre gelungen.

    Mit „Das fliegende Klassenzimmer“ startet nun bereits die vierte Verfilmung des gleichnamigen Literaturklassikers von Erich Kästner in den Kinos. Zu diesem Anlass hatten wir die Möglichkeit, ein Interview mit Tom Schilling zu führen.

    In „Das fliegende Klassenzimmer“ wird Martina (Leni Deschner) am angesehenen Johann-Sigismund-Gymnasium im Alpenstädtchen Kirchberg aufgenommen. Schon an ihrem ersten Tag muss die Teenagerin feststellen, dass hier ein Konflikt zwischen zwei seit Generationen verfeindeten Schüler*innen-Cliquen den Alltag bestimmt, mit den in einem Internat lebenden Stadtkindern auf der einen und den aus dem umliegenden Ort stammenden Jugendlichen auf der anderen Seite.

    Verwickelt werden in die Streitigkeiten aber nicht nur die Schüler*innen, sondern auch der Internatsleiter Justus Böhk, der in dieser nunmehr vierten Verfilmung des gleichnamigen Romans von Erich Kästner von Tom Schilling verkörpert wird. Anlässlich des Kinostarts von „Das fliegende Klassenzimmer“ am 12. Oktober 2023 hatte FILMSTARTS-Redakteur Pascal Reis nun die Möglichkeit, mit dem Schauspieler ausführlich zu sprechen...

    Eine besondere Beziehung zu Erich Kästner?

    FILMSTARTS: Wie war deine erste Reaktion, als du für „Das fliegende Klassenzimmer“ angefragt wurdest?

    Tom Schilling: Als ich das erste Mal angefragt wurde, hatte ich keine Zeit, weil meine Frau arbeiten und ich auf die Kinder aufpassen musste. „Schade, ich habe keine Zeit“, das war meine erste Reaktion (lacht).

    FILMSTARTS: Wann wurde denn die erste Anfrage an dich herangetragen?

    Tom Schilling: Die erste Anfrage hatte ich 2021. Ein Jahr, bevor gedreht wurde. Dann wurde das Projekt noch einmal verschoben und dann war ich plötzlich wieder an Bord.

    FILMSTARTS: Warum braucht es deiner Meinung nach noch eine weitere Verfilmung von „Das fliegende Klassenzimmer“?

    Tom Schilling: Da bin ich, glaube ich, der falsche Adressat, weil ich ja nicht der Produzent des Films bin. Ich spiele ja nur mit und spiele diese Rolle gerne.

    FILMSTARTS: Wahrscheinlich kann man es mit der Zeitlosigkeit des Stoffes begründen. Allein deshalb lohnt es sich, „Das fliegende Klassenzimmer“ immer wieder neu aufzulegen und damit einer neuen Generation näherzubringen.

    Tom Schilling: Ja, der Kern der Geschichte ist sehr zeitlos und die Nöte von Kindern, aber auch von Erwachsenen, sind wahrscheinlich ganz oft auch dieselben. Das hat Erich Kästner in seinem Roman gut destilliert.

    FILMSTARTS: Apropos: Hast du eine besondere Beziehung zu Erich Kästner? Nach „Fabian“ von Dominik Graf ist „Das fliegende Klassenzimmer“ nun schon die zweite Kästner-Verfilmung in kurzer Zeit, bei der du mitgewirkt hast.

    Tom Schilling: Das kommt eigentlich von außen. Ich habe Erich Kästner nie wirklich gelesen, die Filme auch nicht gesehen. Höchstens als ich ganz jung war „Das doppelte Lottchen“. Und bei „Fabian“ fand Dominik Graf, dass ich der richtige Mann für die Hauptrolle bin. Über den Film habe ich mich dann natürlich mit Erich Kästner befasst. Vielleicht lag es auch an „Fabian“, dass es die Verantwortlichen hinter „Das fliegende Klassenzimmer“ schlüssig fanden, mich für den Film zu besetzen.

    FILMSTARTS: Dann freuen wir uns, dich bald in „Das doppelte Lottchen“ im Kino zu sehen, oder?

    Tom Schilling: Ja, warum nicht.

    LEONINE

    FILMSTARTS: Auf den ersten Blick ist der von dir gespielte Internatsleiter Dr. Justus Böhk eine autoritäre Figur. Hast du dich an diese Figur anders herangearbeitet als bei deinen vorherigen Rollen, die nicht autoritär angelegt waren und sich eher dadurch definierten, dass sie nach ihrem Platz im Leben gesucht haben? Oder würdest du sagen, dass dein Charakter hier ebenfalls mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat?

    Tom Schilling: Ich habe ihn nie als wirklich problembeladen empfunden. Ich habe mich bei dem Film auf einen sehr kleinen Ausschnitt aus einem komplexen Leben beschränkt, und zwar wollte ich den gerechtesten, nettesten und zugewandtesten Lehrer spielen, den ich mir selber wünschen würde. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Autorität, ansonsten tanzen die Kinder dir auf der Nase herum.

    War Tom Schilling ein schwieriger Schüler?

    FILMSTARTS: Hast du solche Lehrer*innen in deiner Schulzeit kennengelernt?

    Tom Schilling: So extrem nette, zugewandte Lehrer wie den Justus Böhk? Nee.

    FILMSTARTS: Wie war deine Schulzeit?

    Tom Schilling: Ereignislos. Reibungslos. Nüchtern. Ich war selten da, aber immer entschuldigt (lacht). Weil ich schon früh angefangen habe, Filme zu drehen. Ich hatte mich schon früh nicht mehr für die Schule interessiert, trotzdem war es meinen Eltern wichtig, dass ich sie mit dem Abitur abschließe. Das habe ich dann auch eingesehen, weil es nicht verkehrt ist, sich in der Jugend mit Wissen zu füttern. Ich kannte viele Jungschauspieler*innen in meinem Alter, die mit 15 oder 16 von der Schule abgegangen sind und dachte mir, die Nächte kann ich mir auch noch später um die Ohren schlagen.

    FILMSTARTS: In der Schule bist du also nicht weiter aufgefallen und warst kein Rebell?

    Tom Schilling: Ich hatte aber auch keine Freunde, die in der Schule wirklich rebelliert haben. Rebelliert haben wir eher gegen unsere Eltern, gegen das System, aber nicht gegen die Schule. War nicht nötig (lacht).

    FILMSTARTS: Einer der Filme, die mich in meiner Jugendzeit geprägt haben, war „Crazy“ von 2000. Auch ein Internatsfilm. Findest du, man kann diese beiden Filme gut miteinander vergleichen oder „Crazy“ als eine Art Fortsetzung zu „Das fliegende Klassenzimmer“ betrachten?

    Das fliegende Klassenzimmer
    Das fliegende Klassenzimmer
    Starttermin 12. Oktober 2023 | 1 Std. 29 Min.
    Von Carolina Hellsgård
    Mit Tom Schilling, Trystan Pütter, Hannah Herzsprung
    User-Wertung
    2,7
    Filmstarts
    2,0

    Tom Schilling: Also „Das fliegende Klassenzimmer“ ist schon eher für ein jüngeres Publikum gedacht, vielleicht für 12-, maximal 13-Jährige. Ich hab mich mit 13 schon für ganz andere Sachen interessiert (lacht). Und ich würde sagen, „Crazy“ ist schon eher für 15- oder 16-Jährige. Da geht es ja auch um Sex und es ist insgesamt ein komplexerer Film. Ich glaube, Hans-Christian Schmid wollte eine Art „Kids“ machen.

    FILMSTARTS: Ich hab die Verbindung zu „Das fliegende Klassenzimmer“ durchaus gezogen, vor allem, da es im Kern der beiden Geschichten um den Wert von Freundschaft geht, auch wenn die Protagonisten in den Filmen an anderen Lebenspunkten stehen.

    Tom Schilling: Ja, stimmt. Warum nicht nach „Das fliegende Klassenzimmer“ einfach „Crazy“ schauen. Gute Filme lassen sich ja immer miteinander verbinden.

    LEONINE

    FILMSTARTS: Was hat dich am meisten berührt an der Geschichte? War es die Beziehung zwischen Justus und dem von Trystan Pütter gespielten Nichtraucher?

    Tom Schilling: Nein. Mich hat am meisten die Beziehung zwischen Justus und den Schüler*innen berührt. Dass er ihnen etwas geben wollte, was er selber nie gehabt hat. Das ist für mich der berührendste Aspekt an der ganzen Geschichte.

    FILMSTARTS: Im Film wirst du von einer Schülerin einmal als „unglücklicher Spießer“ bezeichnet. Wie würdest du deinen Charakter definieren?

    Tom Schilling: Also ein Spießer ist er meiner Meinung nach sicherlich nicht, aber da geht die Jugend ja sehr leichtfertig mit diesem Begriff um. Dazu muss man vielleicht einfach etwas älter werden, um zu erkennen, was der Unterschied zwischen spießig und prinzipienfest ist. Man braucht zum Beispiel auch eine gewisse Reife, um zu erkennen, dass manche Dinge mit Pünktlichkeit einfach auch viel besser funktionieren im Leben.

    Die Zusammenarbeit mit den Jungdarsteller*innen

    FILMSTARTS: Wie war die Zusammenarbeit mit den Jungdarsteller*innen?

    Tom Schilling: Super! Die sind alle ganz, ganz entzückend, unterschiedlich, sehr talentiert. Ich fühle mich dabei auch immer an meine Zeit als Kinderdarsteller erinnert. Und ich mache es mir dann eigentlich auch zur Aufgabe, den aufstrebenden Schauspieler*innen die bestmögliche Zeit zu geben. Man gibt so viel als Schauspieler*in und es ist auch ein ganz schön verantwortungsvoller Beruf. In anderen Berufen kann man seine Gefühle ja oftmals auch viel besser verschleiern, in der Schauspielerei geht’s natürlich darum, dass man sie zeigt.

    Und die Kinder, die dort mitgemacht haben, spielen auf einem unglaublichen Niveau. Wenn die eine Szene spielen, in der sie traurig sind, dann sind sie wirklich traurig. Und dann sind sie halt auch 20 Mal traurig, weil es ja sein könnte, dass es beim 20. Mal genau die Einstellung ist, die gebraucht wird. Und das Gleiche gilt für heitere Szenen, was wahnsinnig schwer herzustellen ist. Deswegen haben sie meinen absoluten Respekt.

    FILMSTARTS: Klingt so, als würde dich die Energie von Jungdarsteller*innen mitreißen. Macht es dir insgesamt mehr Spaß, mit Kindern zusammenarbeiten als mit gestandenen Schauspieler*innen?

    Tom Schilling: Bei richtig gestandenen Schauspieler*innen habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie sich genau dieses Kindliche bewahrt haben. Daher macht es eigentlich gar nicht so einen großen Unterschied. Es macht mir unglaublich viel Spaß. Das Schauspielen ist kein leichter, aber ein toller Beruf.

    LEONINE

    FILMSTARTS: Die Dreharbeiten haben unter anderem in Südtirol stattgefunden. Was macht das mit dir, in einer so idyllischen Umgebung zu drehen?

    Tom Schilling: Es war traumhaft. Damit habe ich auch ein neues Urlaubsziel entdeckt (lacht). Südtirol hatte ich noch nicht so auf dem Zettel. Gerade im Sommer. Man hat die Möglichkeit, mit dem Fahrrad zum Drehort zu fahren und natürlich wirkt das auch auf alle. Die Umgebung macht das Team entspannter. Überhaupt zu drehen, wenn die Crew weg von ihren Familien ist. Das sorgt schon für ein viel intensiveres Arbeitsgefühl.

    FILMSTARTS: Entschleunigt das auch? Kann ein Drehprozess überhaupt entschleunigen?

    Tom Schilling: Nee, mich entschleunigt es nicht. Aber ich habe – was ich selten mache – danach noch ein paar Tage drangehängt, weil ich es so schön dort fand und noch zwei Tage wandern oder Fahrrad fahren wollte. Aber es macht einfach alles intensiver, wenn die Leute am Ende des Drehtages nicht zurück in ihren Alltag gehen, sondern in dieser Filmrealität bleiben.

    FILMSTARTS: Das hatte dann für euch wohl auch so eine Art Internatsfeeling, oder?

    Tom Schilling: Ja, stimmt.

    FILMSTARTS: Musik, auch eine Leidenschaft von dir, spielt ebenfalls eine Rolle in „Das fliegende Klassenzimmer“. War das ein Grund, warum dich das Projekt noch mal mehr gereizt hat?

    Tom Schilling: Nein, eigentlich gar nicht. Eher im Gegenteil. Ich trenne das lieber. Das stand im Drehbuch so. Ich weiß nicht, ob das jetzt im Hinblick auf mich so geschrieben wurde, weil ich selber Musik mache, aber im Film ist es die Musik von Justus Böhk. So sehe ich das.

    FILMSTARTS: Was ist das Wichtigste für dich, das die Leute aus „Das fliegende Klassenzimmer“ mitnehmen sollen?

    Tom Schilling: Ich versuche, eine wahrhaftige, komplexe Figur zu erschaffen – und in diesem Fall versuche ich mich in den Dienst der Vorlage zu stellen. Was die Leute aus dem Film mitnehmen, das muss das Publikum für sich selbst entscheiden.

    Auf Seite 2 geht es mit dem Interview weiter...

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